Der Name der Immanuelkirche: „Gott mit uns“
„Immanuel“ ist ein hebräischer Name und bedeutet „Gott mit uns“. Im Matthäusevangelium wird der Name „Immanuel“ mit dem kommenden Erlöser Jesus Christus in Beziehung gesetzt: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.“ (Matthäus 1,23)
Früheste bekannte Aufnahme der Immanuelkirche.
Postkarte, um 1900 Quelle: Museum Pankow
Die Bebauung der Prenzlauer Allee erfolgte in den 1880er-Jahren, zunächst entstanden die Wohnkomplexe auf der westlichen Seite der Straße.
Zwischen Greifswalder Straße und Kollwitzstraße entstanden Ende des 19. Jahrhunderts etliche neue Wohnquartiere. Bald war die Gemeinde der in der Königsstadt gelegenen Bartholomäuskirche nicht mehr in der Lage, die zahlreichen neu Zugezogenen aufzunehmen. Der Bau einer weiteren Kirche wurde notwendig und unter der Schirmherrschaft von Kaiserin Auguste Viktoria auf den Weg gebracht. Im Jahr 1893 konnte nach nur einem Jahr Bauzeit die Immanuelkirche eingeweiht werden.
In Berlin hatte seit 1890 ein in seinen Ausmaßen unvergleichlicher Bau von Kirchen eingesetzt. Bis zum Jahr 1904 wurden auf dem heutigen Stadtgebiet etwa 45 evangelische Kirchen errichtet. Zu den bekanntesten Bauwerken zählen die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche (1891–1895) und der Berliner Dom (1893–1905). Im heutigen Bezirk Pankow entstanden neben der Immanuelkirche die Gethsemanekirche (1890–1893) und die Bethanienkirche (1900–1902).
Die schnell und in großer Zahl errichteten Kirchen waren nicht nur eine Folge des rasanten Wachstums der Berliner Bevölkerung, sondern auch Ergebnis eines politisch motivierten Kirchenbauprogramms. Initiator, Träger und Koordinator war der von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1890 gegründete Evangelische Kirchenbauverein, der dem „Kirchennothstand“ entgegenwirken sollte. Protektorin des Vereins war Auguste Viktoria, die Gemahlin des Kaisers.
Die Einweihungszeremonie am 21. Oktober 1893
Kaiserin Auguste Viktoria (1858–1921) und Kaiser Wilhelm II. (1859–1941), 1910. Quelle: Wikipedia
„Die feierliche Einweihung der Immanuelkirche fand am Sonnabend, dem 21. Oktober 1893, vormittags 10 ½ Uhr, zur Vorfeier des Geburtstages Ihrer Majestät der Kaiserin, statt. Die Häuser am Alexanderplatz, der Prenzlauer Straße und Prenzlauer Allee waren mit Girlanden und Fahnen reich geschmückt. An der Bötzowschen Brauerei erhob sich ein monumentaler Triumphbau mit einer Blumen spendenden Berolina, von da ab umsäumten Flaggenmaste den Straßenzug. Schulkinder bildeten Spalier. Vor der Kirche hatte eine Ehrenkompagnie vom Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 Aufstellung genommen. Eine zahlreiche Festgemeinde war in der Kirche versammelt (…) unter ihnen waren auch geladene Staatsgäste(…)Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin hatten sich vom Neuen Palais aus mittelst Sonderzuges nach dem Bahnhof Alexanderplatz begeben, wo eine Ehreneskorte des 2. Garde-Ulanen-Regiments die Allerhöchsten Herrschaften erwartete. Im vierspännigen Wagen mit zwei Spitzreitern fuhren die Majestäten sodann durch die Feststraße zur Immanuel-Kirche.“
Quelle: Christoph Nauck: Geschichte der Immanuel-Kirche und der Immanuel-Kirchengemeinde in Berlin während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Berlin 1919, S. 12
„Baurat Kühn überreichte nunmehr Seiner Majestät den kunstvoll gefertigten Schlüssel und bat, die Erschließung des Gotteshauses zu befehlen. Seine Majestät gab den Schlüssel an den Generalsuperintendenten Hofprediger Faber, dieser an den Superintendenten Lic. Kreibig, welcher die Tür aufschloß und öffnete.“
Quelle: Christoph Nauck: Geschichte der Immanuel-Kirche und der Immanuel-Kirchengemeinde in Berlin während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Berlin 1919, S. 13
Schlüssel und Siegel der Immanuelkirche, 1958,
Quelle: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin
„Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847): „Jauchzet dem Herrn“, Vertonung von Psalm 100 Unter den Klängen von Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung des 100. Psalms „Jauchzet dem Herrn“ betrat das Kaiserpaar das Kirchengebäude an der Prenzlauer Allee.
Gesang: Chor der Immanuelkirche unter der Leitung von Monika Ellert, Aufnahme und Schnitt: Christian Betz, Dauer: 4:01 min, 2020
Altar- und Kanzelbibel mit Widmung der Kaiserin Auguste Viktoria zur Einweihung der Kirche am 21. Oktober 1893. Leihgabe: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin
Bernhard Kühn: Perspektivische Ansicht der Immanuelkirche, 15. Mai 1894. Tusche aquarelliert auf Karton.
Quelle: TU Berlin, Architekturmuseum
„In den großen Volksmassen, namentlich der großen Städte, nehmen die Umsturz-Ideen immer mehr überhand. (…) Der wirksamste Schutz für Thron, Altar und Vaterland besteht darin, die der Kirche entfremdeten Massen zum Christentum und zur Kirche zurückzuführen.“ Kronprinz Wilhelm II. auf der Waldersee-Konferenz am 28. November 1888. Quelle: unbekannt
Eine neue Kirche für „die unkirchlichste Stadt der Welt“
Georg von Loebell: Zur Geschichte der evangelischen Kirchengemeinden Berlins während der Jahre 1875–1908. Berlin 1909, S. 11
Wilhelm II., der als preußischer König zugleich Oberhaupt der evangelischen Landeskirche war, wollte die Kirche zur Stütze von Staat und Gesellschaft machen. Er hoffte, auf diese Weise dem wachsenden Einfluss der Arbeiterparteien begegnen zu können. Für Johann Christoph Gottlob Nauck, den ersten Pfarrer der Immanuel-Kirchengemeinde, war das neue Gotteshaus im Prenzlauer Berg „eine neue Wehr und Waffe im Geisteskampf der Gegenwart, (…) eine Hochburg des Glaubens“. Nauck bettete die neu entstehende Gemeinde in die stadträumliche Umgebung ein:
„östlich vom Wasserturm als ein Heilsbrunnen und Segensquell lebendigen Wasser für alle, die da wohnen und dürsten nach dem lebendigen Gott …“ Quelle: Christoph Nauck: Geschichte der Immanuel-Kirche und der Immanuel-Kirchengemeinde in Berlin während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Berlin 1919, S. 7
Blick von der Knaackstraße (ehemals Treschkowstraße) zum Wasserturm, im Hintergrund der Turm der Immanuelkirche. Postkarte, um 1910. Quelle: Museum Pankow Die englische Waterworks Company errichtete zwischen 1852 und 1877 auf dem ehemaligen Windmühlenberg eine der ersten Wasserversorgungsanlagen Berlins.
Städtisches Gaswerk an der Prenzlauer Allee, um 1920. Quelle: Museum Pankow
„südlich der großen Gasanstalten als ein Licht zu erleuchten die Seelen, die Gott gerufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht …“
Quelle: Christoph Nauck: Geschichte der Immanuel-Kirche und der Immanuel-Kirchengemeinde in Berlin während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Berlin 1919, S. 7
Städtisches Gaswerk an der Prenzlauer Allee, um 1920. Quelle: Museum Pankow. Zwischen Ringbahn, Greifswalder und Danziger Straße wurde 1873 die IV. Städtische Gasanstalt mit Gleisanschluss für den Kohletransport in Betrieb genommen.
„westlich der Mutterkirche als eine gesinnte, bekenntnistreue Tochter …“ Quelle: Christoph Nauck: Geschichte der Immanuel-Kirche und der Immanuel-Kirchengemeinde in Berlin während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Berlin 1919, S. 7
Bartholomäus-Kirche, Foto auf Karton, Quelle: TU Berlin, Architekturmuseum
Bauplatz, Baukosten und Stifter
Aufgrund der geringen finanziellen Mittel entstand ein Bauwerk mit einfach gestalteter Außenfassade. Letztlich konnte mithilfe einer großen Zahl von Sponsoren eine reichere Innenausstattung ausgeführt werden als geplant. Zudem wurde das Hauptportal an der Prenzlauer Allee mit einem auffälligen Mosaikgemälde geschmückt.
Die Kirche ist das einzige erhaltene Bauwerk des königlichen Baurats Bernhard Kühn (1838–1917). Der Architekt berücksichtigte in seinem Entwurf den Standort des Gebäudes an einer Straßenkreuzung wie auch das im schnellen Wachstum begriffene städtische Umfeld. Die besondere Funktion des Bauwerks betonte Kühn mit dem 69 Meter hohen Turm, der schon von Weitem zu sehen ist.
Kanzel aus Holz geschnitzt, mit Säulen verziert
Stifter: Superintendent Kreibig, Mitglied im Evangelischen Kirchenbauverein
Taufstein aus Kalkstein
Stifter: Kaufmann Julius Krause, Kirchenältester der St. Bartholomäuskirche
Altargemälde mit der Darstellung der Auferstehung Christi.
Maler: Bernhard Plockhorst
Stifter: Margarethe und Julius Bötzow
Quelle: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin / Greta Schmidt
Das Baudenkmal
Auf den ersten Blick erscheint die Immanuelkirche unauffällig. Sie wurde im neoromanischen Stil erbaut und ähnelt den vielen Berliner Kirchen aus der Gründerzeit. Trotzdem ist sie ein besonderes Baudenkmal. Ihre künstlerische Bedeutung zeigt sich im Innenraum. Seine originale Ausstattung vermittelt noch heute den ursprünglichen Raumeindruck. Zudem bildet die polychrome (vielfarbige) Ausmalung im Zusammenspiel mit der Architektur eine in Berlin nur noch selten anzutreffende Einheit.
Die Immanuelkirche steht seit 1985 unter Denkmalschutz. Im Jahr 2014 wurden der Kirchenbau sowie das 1929 eingeweihte Gemeindehaus vom Landesdenkmalamt Berlin zum Baudenkmal erklärt.
Mosaikbild über dem Westportal mit der Darstellung des segnenden Christus. Ausführung durch die Deutsche Glasmosaik-Anstalt Wiegmann, Puhl & Wagner, Entwürfe: Prof. Mohn
Stifter: Evangelischer Kirchenbauverein
Quelle: Museum Pankow / Peter Thieme
„Auszüge aus dem Video „Rundgang zur Geschichte der Immanuelkirche“
Der Bildhauer und Restaurator Siegfried Wehrmeister bietet seit 2004 Rundgänge und Führungen durch die Immanuelkirche an.
Interview: Bernt Roder, 2019
„Die Immanuelkirche ist ein mehrgliedriger Klinkerverblendbau (…) in den historisierenden Formen des sogenannten spätromanischen Übergangsstils.“ „An der Außenfassade wechseln romantisierende Rundbögen und gotisierende Maßwerkfriese. Die Seitenfronten sind mehrfach durch Strebewerk und Gurtgesimse sowie durch Rundbogenblenden gegliedert….Die Immanuelkirche steht auf einem Eckgrundstück und ist aufgrund der städtebaulichen Situation asymmetrisch angelegt. Eine Besonderheit der Kirche ist der Turmbau. Während man bei einer ,klassischen‘ Kirchenanlage einen mittigen Turm erwarten würde, ist der Turm an die nordwestliche Gebäudeecke verschoben. Er kennzeichnet die hier kreuzenden Straßenzüge, zu deren Seiten die nördliche und westliche Schauseite der Immanuelkirche liegen.“ Quelle: Landesdenkmalamt Berlin / Claudia Mandok
Ausmalung des Kircheninnenraums (Wände und Decke im Kirchenschiff und Chor). Ausführung durch Adolf Quensen, Braunschweig
Quelle: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin / Greta Schmidt
„Der Innenraum der Immanuelkirche ist mit Ausnahme des Altarraums flachgedeckt. Er zeigt eine fast vollständig erhaltene, bauzeitliche Ausstattung, unter der die Wand- und Deckenmalerei ebenso erhalten sind wie die liturgischen Ausstattungsstücke.“
Quelle: Landesdenkmalamt Berlin / Claudia Mandok
Erhalt des Gebäudes
Die Verwaltung der Gebäude macht einen Großteil der Arbeit der Gemeindeleitung aus. Ein besonderes Anliegen ist die Sanierung des Kirchengebäudes. Seit 1999 sammelt die Gemeinde Spenden für die Instandsetzung. So konnten bereits der Dachstuhl und die Dachfenster repariert werden. Weitere große Vorhaben sind die Beseitigung von Wasser- und Witterungsschäden, der Einbau einer Heizung und der barrierefreie Zugang. Für die Sanierung des Bauensembles der Immanuelkirche wurden im November 2019 Fördermittel vom Bund bewilligt.
Die Gemeinde
Zeremonien wie Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Konfirmationen und auch das Heilige Abendmahl wurden von den Gemeindemitgliedern der Immanuelkirche rege in Anspruch genommen. Jedoch fehlte es dieser – wie vielen anderen prachtvoll errichteten Kirchen in Berlin – an einem Gemeinde- und Pfarrhaus, Orten, an denen die Menschen zusammenkommen konnten. Die vielen kirchlichen Hilfsvereine in der Immanuelkirche glichen diesen Mangel aus und unterstützten mit ihrem Engagement die Gemeinde.
Die Zahl der Gemeindemitglieder stieg zwischen 1894 und 1910 von 30.000 auf etwa 50.820 Personen. Viele Neumitglieder kamen aus dem in jenen Jahren erschlossenen Terrain hinter der Ringbahn.
In den darauf folgenden Jahren wird von Austritten aus der Gemeinde berichtet, die seelsorgerische Arbeit der insgesamt 15 Vereine sollte dem entgegen wirken.
Der Vorstand der Frauenhilfe Immanuel, 21. September 1926. Älteste existierende Aufnahme, Quelle: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin
Im Jahr 1920, als die wirtschaftliche Not groß war, wurde die Evangelische Frauenhilfe an der Immanuelkirche heimisch. Weitgehend ehrenamtlich organisiert und durch Spenden finanziert setzte sie sich für die ärmsten Teile der Bevölkerung ein.
Der erste Pfarrer der Immanuel-Gemeinde
Johann Christoph Gottlob Nauck (geboren 1859 in Mühlenbeck, gestorben 1943 in Berlin) war der erste Pfarrer an der Immanuelkirche. Von ihm stammte die Idee, das neue Gotteshaus „Immanuelkirche“ zu nennen. Seiner Anstellung (1894–1929) gingen ein Studium der Theologie und ein achtjähriges Pfarramt in Rheinsberg voraus.
Pfarrer Nauck am Fenster seiner Pfarrwohnung in der Prenzlauer Allee 224. Foto, um 1908. Quelle: Ev. Immanuel-Kirchengemeinde, Berlin
Die Familie Nauck lebte mit ihren vier Söhnen und einer Tochter in der Prenzlauer Allee 224.